Stefan schrieb heute ins Forum der Freiflieger Niederrhein:
… am Freitag den 9. Januar um 14 Uhr Schleppbetrieb in Sevelen …
Die Wettervorhersage versprach einen sonnigen Tag mit erträglichen Minustemperaturen und schwachem Wind aus südöstlicher Richtung. Ideale Bedingungen für einen Winter-Windenschlepp.
Nach einigen Anlaufschwierigkeiten ging es kurz nach drei los. Hardy schleppte mich am ersten Seil bis auf eine Höhe von 330 m. Hier oben konnte man die Inversion nicht nur sehen sondern auch deutlich riechen. Der 5 minütige Flug über die verschneite Winterlandschaft hatte schon was (wenn man in einem geschlossenem Gurtzeug sitzt 😉 ).
Den härtesten Job hatte heute der Mann auf der Winde. Danke Hardy.
Morgen geht es weiter!
War schon mächtig kalt. Bin mit dem Moschi gegen 13:30 über das Gelände geflogen. Zu dieser Zeit herrschte ein Phänomen welches ich so noch nicht erlebt habe. Trotz guter Inversionlage (1032 hP) herrschte in ca. 150 m Höhe ein kräftigerer Wind aus 160°. Hier hatte ich laut GPS gegen den Wind nur 6-8 km/h Groundspeed. In 600 m Höhe war die Geschwindigkeit über Grund gegen den Wind 25 km/h. Normalerweise hätte es anders herum sein müssen, da die wärmere Luftmasse ja auf die Kalte aufgleitet. Nach dem Wetterbericht war es auch auf den Bergen im Verhältnis wärmer. Allerdings über Neukirchen-Vluyn bzw. Kamp-Lintfort stimmte die Physik wieder.
Kann es nur so erklären, das hier die Bodentemperatur nicht so stark abstrahlte und so für die wärmere Luftmasse der Weg frei war. Oder wüsste jemand eine andere Erklärung? Aber trotz allem ein schöner 3/4 h Flug in Eiseskälte.
Hallo Peter.
starke Inversionen stellen für die Luft ein Hindernis dar. Wenn die Inversion nur wenig über dem Boden anfängt (Du berichtest von 150m), wird’s für die bodennah fließenden Luftmassen eng, es kommt zu einer Art Düseneffekt. So kann der Wind an der Grenze zur Inversion entsprechend stärker blasen als darüber. Dieser Effekt tritt im Winter sehr häufig auf, weil die Inversion dann häufig recht bodennah beginnt. Leider kann man aus den allgemeinen Windkarten nicht herauslesen, ob und wo es zur Düsenbildung kommt.
Lucian
Danke Lucian, du hast mir für mein Wetterverständnis sehr weitergeholfen. Nun ist mir vieles klar. An die Düsenwirkung hab ich im Traum nicht gedacht. Nur so ist es eine Erklärung.
Trotz allem eigenartig, dass 4 Km weiter dieses Phänomen nicht vorkam. Obwohl der Flugplatz in Sevelen nicht niedriger über NN liegt als der Flugplatz Kamp-Lintfort. Die Bodenbeschaffenheiten (Zusammensetzung) sind wahrscheinlich lokal so unterschiedlich, daß solche Vorgänge möglich sind.
Luftige Grüße, Peter
Hallo Peter,
es kommt nicht nur auf die Bodenbeschaffenheit, sondern auch auf die Luftbeschaffenheit an. In einem Hoch gibt es nicht überall gleiches großräumiges Absinken, sondern häufig auch kleinräumige Unterschiede. So wie es bei einer Thermik neben der Thermik Abwinde gibt, gibt es im Hoch neben Bereichen kräftigeren Absinkens auch lokal kleine Hebungsgebiete etc. Entsprechend strukturiert kann dann auch der Inversionsdeckel sein. Und +/- 50 Meter machen bei einer so bodennahen Inversionsschicht schon eine Menge aus, was die Düsenwirkung betrifft.
Leider lassen sich diese lokalen Phänomene nur erleben, aber kaum voraussagen, weil die Luft, das Hoch etc. dynamische Gebilde sind, die sich ständig verändern.
Großen Einfluss hat u.a. auch der Rhein. Er wirkt wie eine Abflussrennbahn für die kalte Bodenluft. Entsprechend zieht er am Boden auch mehr Luft nach. Schnell fließende Luft sorgt freilich für Unterdruck, d.h. in den Schichten darüber entspannt sich die Lage etwas, es bleibt mehr Platz für die restliche Luft, die da durch will – und die Düse unter der Inversion ist schon wieder schwächer ausgeprägt. Ob dies auf deine Erfahrung bei Kamp-Lintfort zutraf, weiß ich nicht. Ist nur eine mögliche Theorie…
Hallo Peter,
jetzt hat es mich selbst noch gejuckt. Habe mir mal in Google Maps die Geländekonturen angeschaut. Südlich von Sevelen, bei Rheurdt ist ja ein langer Höhenzug in N-S-Richtung. Ist zwar nur 50 Meter hoch, aber das reicht bei solchen Wetterlagen vollkommen aus, um die Luft da zu blockieren bzw. die Strömungen stark zu beeinflussen. Das kann auch bestimmte Düseneffekte verstärken und sogar dahinter leichte Welleneffekte hervorrufen. Auch nur eine Theorie… aber vielleicht kannst Du sie ja bei weiteren Flügen mit ähnlichen Bedingungen noch etwas austesten.
Hallo Lucian,
vielen Dank für Deine ausführliche Wetteranalyse. Der von Dir beschriebene Höhenzug sind die Schaephuysener Höhen, eine Endmoräne die sich mit Unterbrechungen von Krefeld bis Nimwegen erstreckt. Zwischen Oermten (2 km ostlich von Sevelen) und Rheurdt ist dieser Höhenzug besonders markant: nach Osten bricht er relativ steil ab, während er nach Westen eher flach ausläuft. Ich kann mir also gut vorstellen, dass man bei der von Dir beschriebenen Wetterlage an dieser Stelle “Probleme” bekommen kann.
Kann dieser Höhenzug einen Einfluß auf das 3 km entfernten Schleppgelände Sevelen haben?
Als wir um 15:00 Uhr mit dem Schleppbetrieb anfingen, waren die Windbedingungen moderat: ca 15 km/h aus O/SO. Meinen ersten Schlepp selber würde ich als “unruhig” bezeichnen: zwischen 50 und 250 m Steigwerte zwischen 2,5 und 4 m/s. Die nach mir startenden Piloten berichteten von ähnlich “turbulenten” Bedingungen. Eine Stunde später waren die Bedingungen deutlich ruhiger.
Hallo Martin,
ja, auch eine nur 50 m hohe Moräne kann sich weit ins Hinterland auswirken. Normalerweise sagt man ja, dass sich die Lee-Wirbel hinter einem Hindernis etwa nach dem 4-fachen der Höhe wieder weitgehend “verflüchtigt” haben. Bei einer niedrigen Inversion kommt es aber zu anderen Effekten. Hier wirft die Inversionsgrenze wie eine Tischtuch Wellen, und die können sich viel weiter Fortpflanzen. Als weiterer Effekt können am Durchbruch bei Oermten, wo der “gedeckelte” Wind das Moränen-Hindernis seitlich umströmt, auch große vertikale Wirbel entstehen, die sich über dem Kaltluftsee am Boden (der die Reibung verringert), auch noch weit fortpflanzen können. Würde mich nicht wundern, wenn eine Mischung von all dem auch in Sevelen noch spürbar ist.
Hallo Leute,
über die Besonderheiten des Winterwindes habe ich jetzt im lu-glidz Blog etwas ausführlicher geschrieben. Nachzulesen unter
http://lu-glidz.blogspot.com/2009/01/die-crux-mit-dem-winterwind.html
Lucian